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Fülle des Lebens / Verwehte Zärtlichkeit
2 Fotos + Text
Evelin Frerk
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Evelin Frerk |
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Liebe Lin!
Gestern war ich in der Kunsthalle und habe mir die neuen Erwerbungen in der Abteilung Fotografie angesehen.
Welch ein Erlebnis!
Zwei Fotografien. Ich kann sie dir kaum beschreiben.
Das eine Foto, beide sind Hochformate - eher klein aber - ich sage es dir so präsent - sie sind das wahre Leben.
Also, das eine Foto ist ganz weiß und das andere, du wirst es nicht erraten, doch ja, es ist schlicht schwarz, tiefstes Schwarz.
Das Weiße heißt entsprechend: »Die Fülle des Lebens« und das Schwarze: »Verwehte Zärtlichkeit«.
Und so gelungen ist die Einheit von Aussage und Technik, dass ich mich setzen musste, um nicht von dem Eindruck niedergeschlagen zu werden.
Weiß: Du kennst es vielleicht vom Licht, es ist die Bündelung aller Farben des Spektrums, aller Farbtemperaturen und Schwingungen t
des Universums, die in ihrer Gesamtheit: ihrer Einheit, ein reines Weiß erzeugen.
Mit einem Prisma können wir diese Gesamtheit in ihrer Bestandteilen für uns sichtbar werden lassen: in ganzer Farbenpracht und Fülle.
So ist es auch in der Fotografie: Belichte ich den Film mit einer Szene und dann das gleiche Negativ wieder mit einer weiteren Szene und wieder und wieder - ich vereinige also unendlich viele Szenen auf einem Negativ: es wird immer dichter und dichter und die Wiedergabe auf meinem fotografischen Papier ist dann ein vollendetes, kompaktes und so inhaltsschweres Weiß, dass mir die Sinne von allen diesen Eindrücken zu schwinden drohen.
Wie du siehst nichts, außer eben weiß?
Wie schon Matthias Claudíus über den Mond zutreffend sagte: So gibt es viele Sachen, die wir getrost belachen, weil unsere Augensie nicht sehen. Auch wenn der Mond nur als Sichel sichtbar zu sehen ist, so bleibt es doch der volle Mond.
So, wie ich es dir am Besipiel des weißen Lichts verdeutlichte: die Vorstellung des Weißen, des Reinen, als Annahme, dass da nichts sei, ist ein so großer Irrtum, dass mir die Tränen in die Augen schießen.
Es wäre der Triumph des Materiellen über das Geistige!
Je mehr ich Körperfarben, Materielles vermische, desto unkenntlicher und dunkler werden sie: je mehr ich aber Licht, Gesitiges mische, desto heller und klarer wird es.
Es ist der menschenverachtende Hass des Christentums auf alles Lichtige, Geistige, das sich schon darin ausdrückte, dass es die körperliche Liebe und die daraus entstehende geistige Erkenntnis als Lucifer bezeichnete: der Lichtbringer - als Teufel, also Böses, als Angst vor der Dunkelheit.
Die Konsequenz daraus ist die Waschmittelindustrie und die Verleugnung des Geistigen.
So sehr also der Künstler das wahre Prinzip des Geistes erkannte, als er seine Vielfachbelichtungen des weißen Bildes die »Fülle des Lebens« nannte: so sehr kennt es den stetigen Wechsel des Ying und Yang, als er den kurzen Augenblick einer Zärtlichkeit, die bald im Dunkel unserer Erinnerung verschwunden sein wird, als das andere Extrem darstellte.
.....
So konsequent die intellektuellen Maler waren, jede Körperlichkeit in ihren Ölbildern aufzugeben und sich auschließlich auf die Farben zu konzentrieren, blieben sie doch konventionelle Farbenkleckser un hatten keinen Mut zu diesr Radikalität eines Fotografen.
Allerdings können diese Maler auf ihren Ölbildern auch nur Schichten übereinender auftragen, bei der stets nur die Oberfläche des letzten Bildes zu erkennen ist: alles ander wird adrunter zurück gedrängt.
So entsprechen sie der konventionellen Erinnerung des nur jeweils Gegenwärtigen und des Verdeckens des Vergangenen.
Wir wissen doch, dass nicht nur jedes Bild eine Geschichte erzählt, wir wissen auch, dass jeder Betrachter in der Wahrnehmung eines Bildes nur immersich selbsterlebt, dass Bilder nur die Projektionsflächen ihres eigenen Ichs sind.
Diese beiden Fotografien führen in ihrer Konsequenz des Weißen und des Schwarzen den Betrachter radikal dorthin zurück, was »radikal« bedeutet: an seine eigenen Wurzeln. Und so ist es auch nicht überraschend, dass so viele Besucher mit diesen beiden Bilder nnichts anfangen können: stehen doch diese Menschen auch ihrem eigenen Leben begriffslos gegenüber und kennen ihre eigenen Wurzeln , ihr eigenes Werden nicht.
Das weiße Bild ist für sie eben keine Projektionsfläche ihres eigenen Ichs, indem das gewohnte Künstlerbild Auslöser wird, sondern bleibt für sie eine leere Fläche: so wie sie ihr eigenes Leben als leer empfinden.
Welche Demut, welche Größe der künstlerischen Aussage!
Du darfst es nicht versäumen, dir diese beiden Bilder anzusehen. Sie werden dich verändern.
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